Zum 100. Todesjahr von Wilhelm Conrad Röntgen 2023

Teil I: Wilhelm Conrad Röntgen – seine Kindheit und Jugend

Die Bergische Heimat

Die Bergische Stadt Lennep, heute ein Stadtteil von Remscheid, war seit dem frühen 18. Jahrhundert ein Zentrum des Textilgewerbes. Als Wilhelm Conrad Röntgen dort am 27. März 1845 auf die Welt kam, blickte seine Familie schon auf eine rund 120 Jahre währende Tätigkeit im Tuchhandel zurück. Nichts ließ zunächst in seiner frühen Jugend darauf schließen, dass er dieser Familientradition nicht folgen würde. Sein Vater war Kaufmann und Tuchfabrikant und auch seine Mutter entstammte einer alten Lenneper Kaufmannsfamilie, die jedoch in den Niederlanden ansässig war. Die familiären Beziehungen zu den Niederlanden und vermutlich auch die Auswirkungen der 1848er Revolution mit den einhergehenden wirtschaftlichen Einbußen ließen Vater, Mutter und Sohn, denn Geschwister hatte der kleine Wilhelm nicht, nach Apeldoorn übersiedeln. So verließ Röntgen schon mit 3 Jahren seine Geburtsstadt.

Gesamtansicht der Stadt Lennep im Bergischen Land, Geburtsort Wilhelm Conrad Röntgens (heute ein Stadtteil von Remscheid). Das Foto wurde Wilhelm Conrad Röntgen von seinem Vetter Emil R. Röntgen im Februar 1896 geschenkt. Das Bild wurde auf dem Hasenberg aufgenommen, Blickrichtung Nordwesten. Im Vordergrund liegt ein junger Mann im Gras, dahinter sieht man die Gleise der heute stillgelegten und in diesem Bereich demontierten Wuppertalbahn von Lennep nach Oberbarmen. Auf den Feldern vor der Stadt holt eine Gruppe von Landarbeitern die Ernte ein. Der historische Stadtkern ist nur teilweise zu sehen, da er in einer Talsenke liegt. Deutlich erkennt man die Türme der evangelischen Stadtkirche (links) und der katholischen Pfarrkirche St. Bonaventura (rechts). Abb. 1 Gesamtansicht von Lennep (vor 1896) Gesamtansicht der Stadt Lennep im Bergischen Land, Geburtsort Wilhelm Conrad Röntgens (heute ein Stadtteil von Remscheid). Das Foto wurde Wilhelm Conrad Röntgen von seinem Vetter Emil R. Röntgen im Februar 1896 geschenkt. Das Bild wurde auf dem Hasenberg aufgenommen, Blickrichtung Nordwesten. Im Vordergrund liegt ein junger Mann im Gras, dahinter sieht man die Gleise der heute stillgelegten und in diesem Bereich demontierten Wuppertalbahn von Lennep nach Oberbarmen. Auf den Feldern vor der Stadt holt eine Gruppe von Landarbeitern die Ernte ein. Der historische Stadtkern ist nur teilweise zu sehen, da er in einer Talsenke liegt. Deutlich erkennt man die Türme der evangelischen Stadtkirche (links) und der katholischen Pfarrkirche St. Bonaventura (rechts). Archiv Deutsches Röntgen-Museum

Schulzeit

Wilhelm Conrad Röntgen (stehend) zwischen seinen Eltern Friedrich Conrad Röntgen und Charlotte Constanze Röntgen, geb. Frowein. Das entweder in Utrecht oder in Apeldoorn aufgenommene Bild ist das früheste überlieferte Bild der Familie Röntgen. Wilhelm Conrad ist zu diesem Zeitpunkt etwa 15 Jahre alt und Schüler in Apeldoorn. Abb 2: Röntgen als Schüler mit seinen Eltern (um 1860). Wilhelm Conrad Röntgen (stehend) zwischen seinen Eltern Friedrich Conrad Röntgen und Charlotte Constanze Röntgen, geb. Frowein. Das entweder in Utrecht oder in Apeldoorn aufgenommene Bild ist das früheste überlieferte Bild der Familie Röntgen. Wilhelm Conrad ist zu diesem Zeitpunkt etwa 15 Jahre alt und Schüler in Apeldoorn. Archiv Deutsches Röntgen-MuseumDer junge Wilhelm wurde zunächst auf eine Privatschule in Apeldoorn geschickt und verlebte wohl eine glückliche Kindheit in den Niederlanden, die ihn stark prägte. Noch in späteren Jahren, als er schon wieder längere Zeit in der Schweiz und Deutschland gelebt hatte, wird über ihn berichtet: „Seine Conversationssprache ist nicht immer ohne einen fremden Anklang, der Holländer verläugnet (!) sich nicht völlig.“ Mit 17 Jahren, im Jahr 1862, begann er die Technische Schule in Utrecht zu besuchen und wohnte im Haus des bekannten Chemieprofessors Jan Willem Gunning, der seine Faszination für die Naturwissenschaften stärkte. Die Technische Schule sollte als Vorbereitung auf das Studium eines technischen Berufs dienen und so war zu diesem Zeitpunkt eventuell noch geplant, dass der junge Röntgen der Familientradition folgen und wie sein Vater Tuchfabrikant würde. Doch es kam anders. Denn 1863 flog Röntgen von der Schule – wer hätte das von einem zukünftigen Nobelpreisträger gedacht?! Nach Röntgens eigener Aussage wurde er der Schule verwiesen, da er den Namen eines Schülers nicht verraten wollte, der Urheber eine Lehrerkarikatur war. Fortan trieb Röntgen Privatstudien und war als Gasthörer an der Universität Utrecht eingeschrieben. Hier berichtete ihm ein Kommilitone, dass das Eidgenössische Polytechnikum in Zürich Studenten auch ohne Abitur annehme und Röntgen zögerte nicht lange. 1865 siedelte er nach Zürich um und schrieb sich für Maschinenbau ein.

Familiäre Wurzeln – Mythen und Wahrheiten

Louise Grauel, geborene Röntgen (um 1890)
Louise Conradine Grauel, geborene Röntgen (*31.03.1846 Emmerich, +28.01.1929 Indianapolis) war die einzige Cousine Wilhelm Conrad Röntgens väterlicherseits. Röntgens Onkel Ferdinand wanderte 1872 mit seinen beiden Kindern nach Amerika aus. Louise Grauel blieb lange Jahre mit ihrem Cousin und dessen Frau in Briefkontakt, in seinem Nachlass sind Fotografien der ganzen Familie bis Anfang der 1920er Jahre enthalten. Abb 3: Louise Grauel, geborene Röntgen (um 1890). Louise Grauel, geborene Röntgen (um 1890) Louise Conradine Grauel, geborene Röntgen (*31.03.1846 Emmerich, +28.01.1929 Indianapolis) war die einzige Cousine Wilhelm Conrad Röntgens väterlicherseits. Röntgens Onkel Ferdinand wanderte 1872 mit seinen beiden Kindern nach Amerika aus. Louise Grauel blieb lange Jahre mit ihrem Cousin und dessen Frau in Briefkontakt, in seinem Nachlass sind Fotografien der ganzen Familie bis Anfang der 1920er Jahre enthalten. Archiv Deutsches Röntgen-MuseumÜber seine familiären Wurzeln wurden zahlreiche Mythen verbreitet. Von seine Cousine Luise Grauel erhielt Röntgen einen Artikel aus der Milwaukeer Zeitung „Die Germania“ vom 17.03.1896 mit folgendem Kommentar zugesandt: “Du glaubst aber gar nicht wie verschieden und oft sehr mangelhaft die verschiedenen Zeitungen über Deine Abstammung, Familie, Studienzeit usw. berichten; beiliegend ein Exemplar von unsern [sic] Vorfahren, wie gefällt Dir diese Erfindung? ‘Röntgen, der Entdecker der X-Strahlen steht, wie aus Aurich, dem Hauptorte Ostfrieslands gemeldet wird, in naher verwandtschaftlicher Beziehung zu den in Ostfriesland zahlreich vorhandenen Familien gleichen Namens. Der Großvater des Prof. Röntgen war Pastor in Petkum bei Emden, später Superintendent in Esens. Dieser hinterließ einen Sohn und mehrere Töchter, welche letztere in Aurich eine Töchterschule gründeten, die sich seinerzeit eines guten Rufes erfreute. Der Sohn ging als geachteter Ingenieur in holländische Dienste, wo er sich alsbald zu einer geachteten Stellung emporarbeitete. Ein Sohn des Letzteren, also der Enkel des Superintendenten Röntgen, ist der Entdecker der X-Strahlen.’“ Diese Falschnachricht stellte Louise Grauel in der gleichen Zeitschrift richtig. Das Lenneper Kreisblatt, Nr. 48 vom 24.04.1896 berichtete dazu: “Eine als Gattin des deutschen Pfarrers Grauel in Indianapolis (Nordamerika) lebende Cousine des Professors Röntgen schreibt der Milwaukeer “Die Germania” über die Familienverhältnisse desselben in Richtigstellung irriger Angaben, die das Blatt gebracht hatte: ‘Professor Röntgen ist mein einziger Cousin, wir stehen ungefähr im gleichen Alter und ich kenne darum ganz genau unsere Familienverhältnisse. Unsere Großeltern (Röntgen) wohnten in Lennep (Regierungsbezirk Düsseldorf); sie hatten 9 Kinder, 8 Söhne und 1 Tochter, 5 Söhne und die einzige Tochter starben fast alle in der Blüthe der Jugend; die anderen 3 Söhne verheiratheten sich: Ferdinand, Richard und Konrad Röntgen. Ferdinand Röntgen war mein Vater, sowie auch des Pastors Röntgen in Cleveland Ohio. Richard Röntgen starb kinderlos. Konrad Röntgen ist der Vater des Entdeckers der X-Strahlen. Die Eltern des Professors wohnten erst in Lennep, zogen aber später nach Holland. Als einziger Sohn hatte er schon von frühester Jugend an das Glück, die besten Schulen Hollands und dann Deutschlands zu besuchen.’”

veröffentlicht am Donnerstag, 21. September 2023